Sozialkapital ?

Dorf_in_Schleswig_HolsteinHerzlich willkommen auf der Startseite des Basler Instituts für Gemeingüter und Wirtschaftsforschung!
Was ist eigentlich Sozialkapital und wie können wir es messen?
Eine einfache Definition: Sozialkapital ist die Summe der immateriellen Güter einer Gemeinschaft, also zum Beispiel von Geschenkkultur, Vertrauen, Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit.
Unser Institut ist mit seiner Forschung Vorreiter in der Erforschung von Sozialkapital und dessen Bedeutung für grosse und kleine Gemeinschaften.
Ob die Entschuldung der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich, die Bewertung der organisierten Freiwilligenarbeit (Achtung: PDF mit 2 MB) im Kanton Basel , die Einrichtung von genossenschaftlichen Dorfgasthäusern in Baden oder die Suche nach dem weltweiten Sozialkapital in Index Benchmarks – stets geht es darum, das Sozialkapital aufzuspüren und zu messen, um es schliesslich als Wert nutzbringend einzubringen. Zum ersten Mal ist es uns gelungen, in einem Entwicklungsland Sozialkapital zu messen: In Verbindung mit der deutsch-nepalesischen Hilfsorganisation OneWorld konnten wir 553 Familien der Chapang in drei Dörfern fragen: „How big is your social capital?“. Hier der Bericht. (sorry, only available in English).
Welchen Wert haben eigentlich Gemeinschaften jenseits des gemessenen Bruttoinlandsprodukt je Einwohner? Diese Frage ist nach der Finanzkrise durchaus aktuell. Schliesslich hängen die öffentlichen Finanzen völlig von dem ab, was Gemeinschaften erwirtschaften. Miteinander. Gegeneinander. Füreinander?

In Volks- und Bertriebswirtschaft sind Humankapital und Opportunitätskosten als Messfaktoren zwar bekannt, werden aber in der Praxis selten verwendet. Die fehlende Bewertung der sogenannten „weichen“ Faktoren wie Kultur, Religion, Nachbarschaft und soziale Netzwerke wird zwar von Aktivisten oft beklagt, aber daraus sind bisher keine alternativen Mess- und Bewertungsmethoden hervorgegangen.

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Eine Kleinstadtgalerie im badischen Staufen. Belebt die Fußgängerzone. Verhindert Leerstand. Bildet und verbindet.

Mit dem Schwerpunkt auf die Messung, Bewertung und Entwicklung von Sozialem Kapital bietet das Basler Institut für Gemeingüter und Wirtschaftsforschung eine innovative Verbindung von Wirtschafts- und Sozialforschung. Zur bisherigen Definition von Sozialkapital gibt es einen lesenswerten Aufsatz von Urs Birchmeier (PDF) vom SECO (State Secretariat for Economic Affairs) aus dem Jahr 2002.
Die OECD stellte 2004 fest (PDF) , die Forschung zum Sozialkapital befände sich noch im Frühstadium. Unsere Mitarbeiterin Renée Steffen, die an der Universität Luzern Soziologie studiert, bietet hier (PDF) eine kleine und aktuelle Einführung zum Begriff.
Dr. Ingo Rollwagen von der Deutschen Bank Research (DB Research) veröffentlichte 2007 ein Arbeitspapier zum Sozialkapital (PDF), in dem er folgende Formel präsentierte: Humankapital+Sozialkapital=Wirtschaftswachstum.
Der 2009 veröffentlichte Stiglitz-Fitoussi-Report (PDF) an die EU-Kommission erwähnt

den Begriff Sozialkapital zwar 41 mal, sieht es aber nicht mehr als eigene volkswirtschaftliche Grösse an.
Es scheint, als sei mit der weitläufigen Definition von Sozialkapital als Wert von sozialen Netzwerkbeziehungen jeder Art eine Eingrenzung des Begriffes
– und damit die Grundlage für eine empirische Messbarkeit unmöglich geworden.

Drei Aspekte sollen bei der Bewertung von Sozialem Kapital erwähnt werden:

1.) Geschenke und Freiwilligenarbeit. Was bieten Menschen anderen Menschen ausserhalb der Familie ohne Anspruch auf unmittelbare Gegenleistung an? Das betrifft nicht nur charity, sondern mindestens ebenso Musik und Strassenleben, Gastfreundschaft und Höflichkeit, Religion und auch die sogenannten public goods (öffentliche Güter/Gemeingüter) , die ohne den freiwilligen Beitrag von Bürgern nicht finanzierbar sind.

2.) Vertrauen. Wie stark vertrauen die Mitglieder von Gemeinschaften anderen innerhalb und ausserhalb der Gemeinschaft? Wie schätzen sie deren soziale Stabilität ein? Da die Vertrauensfrage sehr intim und ihre Beantwortung nicht ohne Konsequenzen ist, kann sie so dem Einzelnen nicht gestellt werden. Sie muss deshalb umgangen und umschrieben werden, was Interpretationsspielraum eröffnet.

3.) Wert für die Gemeinschaft. Viele erfolgreiche soziale Netzwerke beschränken die ganze nicht-monetäre Leistung und ihr Engagement auf die Angehörigen ihrer Lobby, ihres Clans, ihrer Sippe. Meistens schädigt das aber die Gemeinschaft sowohl regional wie international. Eine isolierte Betrachtung von Sozialkapital als Wert von sozialen Netzwerken bietet deshalb keinen Ansatz für die Bestimmung des nationalen oder gar internationalen Sozialkapitals.

Diese klare Definition ermöglicht es, sehr unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft, etwa Religion, Verkehr, Sicherheit, Gesundheit und Kultur, Genossenschaften, Gemeinden, Vereine und Initiativen, Unternehmen und Verbände unter einem gemeinsamen Aspekt zu beschreiben.
Dabei wird die Erforschung und Beschreibung von Sozialem Kapital selbst zum Teil des Sozialen Kapitals. Wir Forscher beschreiben also nicht ein von uns getrenntes Objekt, sondern sind selbst ein Teil der Gemeinschaft, die sich durch unsere Arbeit weiterentwickelt.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine inspirierende Lektüre unserer Angebote hier im Internet!

Ihr Alexander Dill

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admin am Juli 17th 2010

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